Gerechtigkeit oder spektakuläres Einzelerfahrungen?
Leben diente und dient nach wie vor dem Erleben – dem Zweck Erfahrungen zu machen, und das so aufregend und spektakulär wie möglich. Der Wunsch immer vielfältiger zu erleben ist so elementar, dass sich ihm scheinbar alles andere unterordnet – sicherlich auch die menschliche Erfindung Namens „Gerechtigkeit“. Unsere neuen, sehr komplexen Erfahrungsmöglichkeiten, entspringen einem Entwicklungsprozess und können gar nicht sofort allen, gerecht verteilt zur Verfügung stehen. Der Umstand, dass große, extreme Erfahrungen nicht möglich sind, ohne dass sehr viele Menschen dafür selbstverzichtend zuarbeiten, führt regelmäßig zu Ungerechtigkeiten. Ob beim Bau von Pyramiden in Ägypten, der Herrschaft von des Sonnenkönigs Ludwig den XIV, oder dem Leben von Anton Schlecker. Der Drang nach gigantischen Einzelerfahrungen war schon zu allen Zeiten immer größer, als der Wunsch, die Erlebnismöglichkeiten gerecht, breit und flach in der Bevölkerung zu verteilen. Oft erfolgte dieses Einbinden der Massen mit Gewalt, Tricks oder Unterdrückung, aber auch nicht selten freiwillig, zum Beispiel für einen legitimen Herrscher, dem es gebührt, sich für ihn "abzurackern".
Zurzeit glauben wir an geltendes Recht, nach dem Menschen mit Fleiß und Geschick unglaublich reich und mächtig werden dürfen. Reich sein bedeutet, die Macht über viele zuarbeitende Menschen zu haben, um für sich selbst und andere größere Erlebnisprojekte realisieren zu können.
Es geht also oft um die Konzentration von Erlebnisrechten für spektakuläre Einzelerfahrungen, die bei einer gerechten, gleichförmigen Verteilung nicht möglich wären. Erleben ist kosmische Instanz und dieser Einrichtung scheint es zunächst nicht wichtig zu sein, wie und mit welchen Mitteln die aufregenden Erfahrungen zustande kommen.
Zu beobachten ist ein ständiger Konflikt, in dem das spektakuläre Einzelerleben versucht, sich gegen ein gerecht verteiltes „MassenKleinErleben“ durchzusetzen. Es ist zu vermuten, dass die Natur auch dieses Verhältnis automatisch regelt und es langfristig im Gleichgewicht hält. Sind die Erlebnismöglichkeiten zu gleichmäßig „flach“ in der Bevölkerung verteilt, und damit zu wenig Spektakuläres möglich, wachsen plötzlich wieder „GroßErLeber“ heran. Konzentriert es sich zu sehr bei ganz wenigen in der Oberschicht, wehren sich die Massen weiter mitzumachen, und die Erlebnismöglichkeiten verteilen sich wieder breiter.